"Meine Kreativität ist vielseitig"
Solveig Jünger lebt und arbeitet als Sängerin und Performancekünstlerin in Darmstadt. Sie ist gelernte Schreinerin sowie Requisiteurin und hat sich ihre eigene kleine Bühne gebaut, die Voicebox. Infolgedessen sind auch erste eigene Songs entstanden. Live zu erleben ist sie – unter dem Namen Temté – entweder bei ihren Solokonzerten oder in der Voicebox.
Über ihre Verbindung mit der Musik, ihre gesanglichen Wege und wie sie ihrer Kreativität Ausdruck verleiht, lest ihr hier.
„Zentrales Element in meinem Leben ist die Bühne“
Solveig, seit wann singst Du und welche Gesangsstile hast Du gelernt?
Meine erste Gesangstunde hatte ich mit vierzehn Jahren. Mit Gesangsübungen und Liedern habe ich begonnen, später sang ich gerne Songs aus Musicals. Nach einer längeren Zeit, in der ich mich aktiv mit Schauspielerei und meiner Sprechstimme beschäftigt habe, kam ich über die Funktionale Stimmbildung wieder mehr zum Singen. Ein paar Arien sang ich damals auch, was mir gut gefallen hat. Nach einiger Zeit fühlte ich mich aber musikalisch eingeengt. Mit einem kleinen Abstecher über Jazz-Gesang bin ich nun im Pop-Genre gelandet. Ich bin sehr dankbar darüber, diese unterschiedlichen Erfahrungen gesammelt zu haben. Meine gesanglichen Wege verliefen alles andere als gradlinig und inzwischen fühle ich mich musikalisch angekommen.
„Der Verspieltheit Raum geben und meiner Kreativität vertrauen“
Beziehen sich Deine Erfahrungen auf solistischen Gesang, oder hast Du auch mit anderen gemeinsam Musik gemacht?
Ich habe hier in Darmstadt mehrere Jahre in einem kleinen Frauen-Chor mitgesungen und war Teil eines Trios (Gesang|Gesang|Gitarre). Davor habe ich Erfahrungen in einem Vokalensemble gesammelt und als Jugendliche in einem Musical mitgespielt.
Wie ist Deine Verbindung zur Musik?
Musik ist von klein an Teil meines Lebens. Meine Eltern haben sich in einem Chor kennengelernt und sind beide sehr musikalisch. Mein Vater arbeitete früher als freiberuflicher Sänger. Als Kind wollte ich gerne Opernsängerin werden. Mich haben die intensiven Gefühle und die Dramatik in den Arien immer sehr fasziniert.
Spielst Du selbst Instrumente?
Ich habe Klavierspielen gelernt, aber mein musikalischer Schwerpunkt ist eindeutig die Stimme. Instrumente kommen in meiner Musik bis jetzt nicht vor, nur hinter den Kulissen. Begleitend zum Gesang spiele ich gerne rhythmische Elemente. Dafür verwende ich stimmliche Sounds oder Body-Percussion. Für mich ist der Groove eines Liedes wichtig.
„Ich liebe mehrstimmigen Gesang.
Durch die Kombination entsteht etwas Neues“
Was gefällt Dir am Singen besonders?
Ich liebe mehrstimmigen Gesang. Es ist ein besonderes Erlebnis, gemeinsam zu singen. Wenn sich die einzelnen Stimmen vermischen, entwickelt sich ein ganz eigener Klang. Durch die Kombination entsteht etwas Neues.
Zuvor nanntest Du Musical und Schauspiel. Du hast also bereits Bühnenerfahrung?
Zentrales Element ist in meinem Leben die Bühne und meine Wege haben mich in ihre verschiedenen Bereiche geführt. Ich habe Bühnenerfahrung, sowohl aus Darstellerin auf der Bühne als auch hinter den Kulissen als Requisiteurin. Als Darstellerin habe ich meist in Projekten mitgewirkt, die an ungewöhnlichen Spielstätten stattgefunden haben. Ich mag es, alltägliche Orte in eine Bühne zu verwandeln. Theater im öffentlichen Raum ermöglicht, Gewohntes und Vertrautes anders zu erleben und aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.
Wie bist Du mit der Corona bedingten Pause umgegangen, in der weder gemeinsames Singen noch Veranstaltungen möglich waren und öffentliches Leben nicht stattgefunden hat?
Ich habe mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und eine Loopstation gekauft. Mit dieser habe ich die Möglichkeit, solistisch mehrstimmige Lieder zu singen. Die Arbeit mit der Loopstation war und ist für mich ein Türöffner zu meiner eigenen Musik. Außerdem habe ich die Pause genutzt und mittels eines Projektstipendiums der Hessischen Kulturstiftung die Voicebox umgesetzt. Bei dieser Arbeit sind meine Kreativität und Fähigkeiten in einer kleinen Bühne vereint.
„Bei der Voicebox sind meine Kreativität und Fähigkeiten in einer kleinen Bühne vereint“
Was genau ist die Voicebox?
Die Voicebox ist eine Art lebendige Jukebox. Allerdings wünschst Du Dir nicht, wie bei einer klassischen Jukebox einen bestimmten Song. Die Voicebox spielt, je nach Deiner Gemütslage einen Song für Dich – sozusagen Dein musikalisches Soulfood. Welcher Song sich hinter den verschiedenen Stimmungen verbirgt ist eine Überraschung.
Bei welcher Art Veranstaltung können wir Dich und die Voicebox erleben?
Ich spiele mit der Voicebox sowohl auf öffentlichen als auch privaten Veranstaltungen. Ein Format wie die Voicebox ist neu, zumindest habe ich es bisher nirgendwo gesehen. Für mich bedeutet dies ebenso, offen für Neues zu sein. Ich bin gespannt, wohin mich meine Wege führen.
Du hast zu Beginn die Dramatik in Arien angesprochen. Bei der Voicebox findet eine spielerische Auseinandersetzung mit den persönlichen Stimmungen statt. Wie ist das bei Deiner eigenen Musik, steht dort auch das Thema Emotionen im Mittelpunkt?
Ja, auf jeden Fall. Für mich ist dies die große Klammer um meine musikalischen Projekte. Über die Stimme lässt sich sehr viel transportieren, auch ohne Worte. Emotionen gehören zum Leben und möchten ausgedrückt werden. Die künstlerische Auseinandersetzung ermöglicht mir gleichzeitig auch eine Verarbeitung. Dabei versuche ich meine Themen nicht in Form von Dramatik, großem Herzschmerz oder Übertreibung darzustellen. Vielmehr bin ich immer auf der Suche nach dem für mich Wesentlichen darin und einer Reduzierung darauf.
„Neue Songs entstehen über die Improvisation mit Stimme und Body-Percussion“
Welche Stilmittel nutzt du für Deine eigene Musik?
Die Loopstation ermöglicht es relativ schnell, mir selbst einen musikalischen Teppich auszubreiten. Dieser entsteht durch aufeinander folgende Sequenzen aus Rhythmus und Harmonien, die sich in unterschiedlichen Längen wiederholen. Ich mag es, wenn sich ein Lied langsam aufbaut, die Strukturen sich immer mehr verdichten. Musikalisch gesetzte Unterbrechungen bieten dazu einen Kontrast. Sie lassen das Lied wieder durchlässiger werden. Textlich arbeite ich auch gerne mit Wiederholungen, die ich musikalisch variiere. Dies kann zum Beispiel eine Mehrstimmigkeit sein oder improvisierte Sequenzen.
Möchtest Du uns einen kurzen Einblick geben, wie Deine Songs entstehen?
Neue Songs entstehen bei mir oft über die Improvisation mit Stimme und Body-Percussion. In den fertigen Songs sind dann nur noch Elemente von Body-Percussion erkennbar, da es schwierig ist, beides in einer Person live umzusetzen. In der Weiterentwicklung der Songs arbeite ich mit der Loopstation. Da passiert es mir schnell, dass ich mich im Perfektionismus verliere. Ich möchte alle meine Songs auch live spielen können. Beim Komponieren verwerfe ich dadurch viele meiner Ideen wieder – weniger ist manchmal mehr.
„Über die Stimme lässt sich sehr viel transportieren, auch ohne Worte“
Bei meinen eigenen Songs geht dem musikalischen Teil eine inhaltliche Auseinandersetzung voraus. Neben thematischen Ideen entstehen auch erste konkrete Textzeilen oder Strophen. Erst während des musikalischen Prozesses ergeben die Puzzlestücke dann das Gesamtbild und lassen einen Song daraus entstehen.
Als Künstlerin nennst Du Dich Temté. Hat dies eine Bedeutung für Dich?
Eine wortwörtliche Bedeutung hat Temté nicht. Der Name ist zufällig aus einer spontanen Wortspielerei entstanden. Während des Wasserkochens für einen „Atem Tee“ veränderte ich die beiden Wörter rhythmisch und – voilà, es entstand mein Künstlerinnenname. Temté erinnert mich selbst immer wieder daran, die Dinge im Leben manchmal nicht so ernst zu nehmen, der Verspieltheit Raum zu geben und dabei meiner Kreativität zu vertrauen.